Krankenhauskeime: Genialer Kunstgriff
Albicidin, der Auslöser der Blattfleckenkrankheit des Zuckerrohrs, wurde von Forschern der TU Berlin so verändert, dass es als Antibiotikum gegen multiresistente Krankenhauserreger wirksam ist.
Krankenhauskeime sind häufig multiresistente Erreger, mit denen sich Menschen anstecken können, die sich in einer stationären Behandlung befinden. In Deutschland allein gibt es nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums 400.000 bis 600.000 Infektionen im Jahr. Etwa 15.000 der Patienten sterben an den Folgen einer solchen Infektion. Die Forschung sucht unentwegt nach einer Lösung. Nun konnte die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Roderich Süssmuth vom Fachgebiet Organische und Biologische Chemie der TU Berlin mit Hilfe der Elektronenmikroskopie bei tiefen Temperaturen Schnappschüsse davon machen, wie Albicidin ein lebenswichtiges Enzym von Bakterien hemmt. Anhand von Computersimulationen und chemischer Synthese im Labor erzeugten sie dann Versionen des natürlichen Albicidin-Moleküls, die gegen einige der tödlichsten bakteriellen Krankheiten in Krankenhäusern wirksam sind. Die Studie dazu wurde Anfang des Jahres in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Albicidin wird von dem Bakterium Xanthomonas albilineans produziert und verursacht die Blattbrandkrankheit bei Zuckerrohrpflanzen. Das Gift wirkt, indem es das Pflanzenenzym DNS-Gyrase angreift. Dieses ist dafür verantwortlich, die DNS zur Teilung der Zelle aufzuwinden und die beiden Stränge kurzzeitig voneinander zu trennen, damit diese sich replizieren können. Da dieser Prozess bei Menschen anders reguliert wird und die Gyrase fehlt, werden bei einer Behandlung mit Albicidin-Varianten die Patienten keinem Risiko ausgesetzt. „Jetzt, da wir ein strukturelles Verständnis haben, können wir weitere Modifikationen an dem Molekül vornehmen, um seine Wirksamkeit und die pharmakologischen Eigenschaften zu verbessern“, erklärt Kay Hommernick, der Co-Erst-Autor der Studie. Da Bakterien -im Gegensatz zu Menschen- auf Gyrase angewiesen sind, könnte schon bald eine Albicidin-Variante als Breitband-Antibiotikum eingesetzt werden. Antibiotikaresistenzen stehen auch im Fokus der AMR-conference im März in Basel.